Hermine Henriette
Die 1855 in Halle gegrĂŒndete âSĂ€chsisch-ThĂŒringische AG fĂŒr Braunkohleverwertung AGâ eröffnete 1857 den Tiefbau der Grube âTheodorâ (bei Ammendorf) und unternahm ein Jahr spĂ€ter Versuche zur Brikettierung der Braunkohle. Die Leistung der ersten Presse betrug 42 Briketts pro Minute. 1859 wurde âTheodorâ mit der Grube âNeptunâ (bei Osendorf) zusammengefĂŒhrt. Die Fusion erhielt 1860 den Namen âVon der Heydtâ, benannt nach dem aus Elberfeld stammenden preuĂischen Staatsminister fĂŒr Handel, Gewerbe und öffentliche Arbeiten August Freiherr von der Heydt (1801â1874), der sich vor allem um die Förderung des Schienenverkehrs im Reich verdient gemacht hat. In unmittelbarer NĂ€he dieser Anlage, zu der auch das Braunkohlenwerk Ammendorf gehörte, befand sich die 1853 eröffnete Grube âHermine Henrietteâ, die ab 1872 von der âZeitzer Paraffin- und Solarölfabrikâ in Osendorf in der NĂ€he des Dreierhauses betrieben wurde. Diese wurde im Volksmund ,Die Schmiereâ genannt und bot, wie Pastor Friedhelm Bruns im Kirchenbuch Döllnitz berichtet, âsehr vielen aus der Gemeinde lohnende Arbeitâ.
1887 fusionierten beide Gesellschaften, ein Jahr spĂ€ter konnte eine Eisenbahnanbindung fertiggestellt und mit dem Aufschluss des Tagebaus âHermine Henriette Iâ und dem Bau einer zusĂ€tzlichen NaĂpresssteinanlage begonnen werden. Im ersten Jahr der ProduktionstĂ€tigkeit wurden allein von âHermine Henriette Iâ 57 013 Tonnen Rohbraunkohle zur VerfĂŒgung gestellt. Der Tagebaubetrieb dieser in der NĂ€he des Reidebaches gelegenen Grube war nicht unproblematisch. Im November 1890 erfolgte ein schwerer Wassereinbruch, der eine starke VerschlĂ€mmung des Tagebaues nach sich zog. Zusammen mit der EntschlĂ€mmung wurde ein mĂ€chtiger Tondamm zwischen Reide und Grube errichtet, der letztere vor Hochwasser schĂŒtzen sollte.
Zur Verarbeitung der enorm ansteigenden Kohleproduktion bedurfte es einer zweiten Brikettfabrik, die 1892 in Bau ging und zunĂ€chst mit drei, spĂ€ter mit vier Pressen ausgerĂŒstet war. 1909 betrug die Rohkohleförderung der AG âVon der Heydtâ 415 190 Tonnen. Daraus wurden 49 572 Tonnen Briketts und 4 162 Tonnen Nasspresssteine hergestellt. Um ihre Verarbeitungsanlagen auf lĂ€ngere Zeit auslasten zu können, erwarb die AG ein Kohlenfeld bei Döllnitz und konnte 1898 mit der ErschlieĂung von âHermine Henriette IIâ beginnen. Deren, anfangs im Tiefbau, spĂ€ter im Tagebau geförderte Kohle wurde mit einer drei Kilometer langen Drahtseilbahn den in der NĂ€he von âHermine Henriette Iâ gelegenen Veredlungs- und Umschlagseinrichtungen zugefĂŒhrt. Auf 1908 datiert ist die vom Oberbergamt Halle beurkundete Ăberschreibung der Kohlenfelder, situiert in der Gemarkung Lochau, die die AG unter dem Namen âHermine Henriette IIIâ ausbeuten konnte. Von hier gelangte die Kohle mittels einer Kettenbahn zu âHermine Henriette IIâ und von dort, wie beschrieben, zu den Veredlungs- und Umschlagseinrichtungen.
Mit der Errichtung der Leuna-Werke im 1.Weltkrieg gewann die Braunkohleförderung in den genannten Revieren enorm an Bedeutung. Die Betriebe erfuhren eine Modernisierung und eigens fĂŒr den Bedarf der Werke richteten die Betreiber eine 14,5 Kilometer lange Kohlenbahn ein, an die auch der Tagebau âVon der Heydtâ angeschlossen wurde. SchlieĂlich kam es aus wirtschaftlichen GrĂŒnden 1927/28 zu einer Vereinigung von âHermine Henriette Iâ mit âVon der Heydtâ zu einem GroĂtagebau.
Die bei der Kohlegewinnung anfallenden Abraummassen gelangten auf eine Hochhalde, die sich östlich der Ortschaften Osendorf und Radewell befindet. Sie wurde spÀter aufgeforstet und mit Wanderwegen versehen und dient heute noch touristischen Zwecken.
Die Ende der zwanziger Jahre des 20. Jahrhunderts grassierende Weltwirtschaftskrise zwang zur partiellen Einstellung der Förderung. Erst 1936, und zwar im Zusammenhang mit den Kriegsvorbereitungen der Nationalsozialisten, wurde die Braunkohle wieder interessant. Betrug die Förderung beispielsweise um 1912 noch 200.000 Tonnen pro Jahr, entnahmen die Betreiber den Tagebauen nunmehr ĂŒber drei Millionen Tonnen. âHermine Henriette Iâ wurde noch im 2. Weltkrieg geschlossen. Hier begannen sich nach 1945 die Restlöcher bereits mit Grundwasser zu fĂŒllen â der Osendorfer See, damals noch als âOsendorfer Schachtteichâ benannt, war im Entstehen begriffen. Lediglich eine Grubenbahn, die um den See fĂŒhrte und Kohle von âHermine Henriette IIIâ zur Kohleveredlung transportierte, und die ehemalige Transformatoren- und Umspannstation, welche die Riebecksche Montanwerke AG nach dem 1. Weltkrieg errichten lieĂ, erinnerten an die einstige Nutzung.
Der âOsendorfer Schachtteichâ galt bald als eine beliebte Badegelegenheit fĂŒr die Einwohner der umliegenden Gemeinden, an einem der steilen AbhĂ€nge wurde eine Skischanze errichtet. Mit dem Aufbau einer Kanuregattastrecke in den fĂŒnfziger Jahren des 20. Jahrhundert begann eine neue Ăra der einstigen Braunkohlengrube âHermine Henriette Iâ.
von Hans-Joachim Kertscher/Petra Kunitzsch
Abbildungen
Abbildung 2: Grube Hermine Henriette I um 1927 (Archiv JĂŒrgen Lange)
Abbildung 3: Transformatorenstation um 1925 (Archiv JĂŒrgen Lange)
Abbildung 6: Regatta auf dem Osendorfer See um 1958 (Archiv HKC)
Abbildung 8: Blick auf die Regattastrecke im Jahr 2005 (Archiv HKC)